Supermärkte zu überbauen, ist eine Herausforderung für Architekten – und doch städtebaulich so wichtig! Rechnet man die Flächen zusammen, die in Deutschland in hochwertigen Lagen mit den üblichen Markthallen nur eingeschossig bebaut sind, ergibt sich eine astronomische Größe der Bodenverschwendung, nur übertroffen von dem Wahnsinn der uferlosen Gewerbegebiete ohne Obergeschosse.
Unser Projekt geht hier neue Wege und basiert dagegen auf einer Reihe von sechs Atrium-Häusern, wie im Alten Rom oder in China, jedes Haus mit seinem ganz privaten Gartenhof oder Patio in der Mitte. Dorthin sind die Wohnungen großzügig verglast, damit das Licht im Winter tief in die Wohnungen fällt. Weite Dachüberstände bieten Schutz und werfen im Sommer Schatten.
Jedes dieser Hofhäuser besteht aus einem Vorder- und einem Hinterhaus (Wohnfläche um 160 m2 / um 70 m2). Beide sind Maisonetten – das größere drei-, das kleinere zweigeschossig. Der private Hof, von keinem der Nachbarhäuser einsehbar, verbindet die beiden .
Um die Höfe nicht nur optisch, sondern auch akustisch so privat wie möglich bewohnen zu können, sind jeweils benachbarte Hofhäuser gespiegelt: die großen und kleinen Häuser liegen abwechselnd vorne oder hinten. An beiden Enden des Neubaus ist außerdem jeweils eine einzelne kleine Maisonette mit Gartenhof geplant.
Jeweils in der Mitte der Laubengänge befinden sich offene Treppen mit Aufzügen, die bis hinunter in die Tiefgarage reichen. Die Zugänge von außen liegen einerseits in dem ruhigen Winkel am Altbau, andererseits im eigenen Garten, durch eine Pforte vom Bahnhof her zu erreichen.
Diese gesamte Erschließung liegt an der frischen Luft. Das ist sparsam, brandsicher und hygienisch. Erst mit der Wohnungstür öffnet sich der beheizte Innenraum.
Die Tore zum Garten und zur Tiefgarage ebenso wie die Türen zu den Treppenhäusern sind nur von berechtigten Personen zu öffnen. Man begegnet drinnen also nur Menschen, die hier wohnen oder hereingelassen wurden. Das verleiht Sicherheit – auch weil die gesamte Wohnebene so hoch über dem Außengelände liegt.
Beide Gebäudeseiten sind von Laubengängen aus zu erreichen. Laubengänge sind seit dem Mittelalter ein beliebter, weil unübertroffen sparsamer Weg, gereihte Wohnungen im Obergeschoß zu erschließen. Nicht umsonst propagierte das Bauhaus diese Form, und werden gerade in jüngster Zeit wieder mehr Laubenganghäuser gebaut. Alle Wohnungen über nur zwei Treppenhäuser zu erschließen ist ökonomisch sinnvoll und wäre mit keinem anderen Prinzip möglich gewesen.
Die Laubengänge stellen wir uns mit einer wellenförmigen Brüstung vor. Das macht sie stabiler, und so entstehen jeweils vor den Wohnungstüren kleine Freiräume zum Schnacken, oder für Blumenkübel. Neben jeder Wohnungstür ist Platz für Rollstuhl oder Kinderwagen; auf der Südwestseite sogar für gemeinsame Sitzplätze unter dem Vordach.
Auf der Nordostseite liegt der Laubengang tiefer als die Wohnungen. So kann niemand beim Vorbeigehen hineinsehen. Auf der Südwestseite ist zwar die Bodenhöhe gleich – doch liegen überdachte Sitzplätze dazwischen. Beides sorgt für Distanz und Schutz der Privatheit, um zu verhindern, dass Passanten und Bewohner sich gefühlt zu nahe kommen.
Die Brüstungen der Laubengänge sind geschlossen und etwas höher als das Minimum. Kinder können hier toben, ohne Spielzeug durch die Stäbe zu werfen, und ohne sich vor der Tiefe zu erschrecken. Die Laubengänge kragen auch nicht aus, sondern ruhen auf festen Stützen.
Jeweils zur Südwestseite liegen vor den Wohnräumen an den Höfen überdachte Terrassen, vor den Küchen überdachte Sitzplätze am Laubengang, darüber wohnungsbreite Balkone vor den Schlafzimmern.
Die inneren Höfe oder Patios (ca. 40 m2) können ganz nach Wunsch gestaltet werden, mit Holz oder Platten belegt, das mittlere Becken als Rasen oder Wiese bepflanzt, mit Blumen, Büschen, sogar kleinen Bäumen (1 m Bodenaufbau). Sie können aber auch – wie einst die Atrien der Antike – Wasserbecken sein, in denen vielleicht Schilf wächst und Kois ihre Bahn ziehen. Das Sonnenlicht wirft dann seine Spiegelung unter die Zimmerdecken.
Abgesehen von den beiden Randeinheiten (Nr. S1 und N8) können die mittleren Einheiten sowohl als Ganzes (Nord und Süd) als auch einzeln veräußert werden. Alle Wohnungen sind individuell erschlossen. Das Konzept bietet somit eine Vielzahl an Möglichkeiten des individuellen oder gemeinschaftlichen Wohnens.
Der besondere Charme liegt darin, das Atrium von zwei Seiten aus erlebbar zu machen. Wenn Eigentümer einer ganzen „Scheibe“ selber nur auf einer Seite wohnen, besteht immer die Möglichkeit, die andere Seite zu vermieten und die Nutzung des Hofes zu gestalten.
Gedacht ist das Konzept vor allem für Fälle, die im üblichen Wohnungsbau nicht angeboten werden: z.B. für eine Familie, die ihre Eltern in der Nähe wissen will, doch sollen diese noch eine eigene Tür schließen können. Die Enkel könnten dann auf kurzem Wege hinüberlaufen. Oder für erwachsene Kinder, die schon selbständig wohnen, aber doch den Kontakt halten wollen. Auch ist ein späterer Tausch denkbar: wird man älter, zieht man ins „kleine Haus“, und die jungen Leute ins „große“.
Auch an den Fall ist gedacht, dass ein Familienmitglied Pflegefall wird und eine Pflegeperson ständig gebraucht wird – diese aber nicht 24/7 mit der Familie wohnen mag oder soll. Dann ist im kleinen Haus, über der Pflegewohnung, durch eine Treppe direkt vom Laubengang eine separate kleine Wohnung erschlossen. Diese Variante ist in allen Fällen möglich, die das kleine Haus zur Südwestseite haben. Diese kleine Wohnung kann sonst auch vermietet werden.
Alle Einheiten dürfen in verträglichem Maße auch gewerblich genutzt werden (soweit es die Nachbarn nicht belästigt). So können bspw. Selbständige im großen Haus wohnen, im Kleinen das Büro haben, die Kanzlei oder eine Praxis - oder umgekehrt. Kunden und Angestellte kommen von der anderen Gebäudeseite, über separate Eingänge. Wieviel Durch- und Einblick erlaubt wird, bleibt jedem selbst überlassen.
Das Außengelände der gesamten „Neuen Mitte“ wird barrierefrei. Beide Laubengänge sind über Aufzüge mit dem Außengelände und der Tiefgarage verbunden. Die Wohnungstüren sind von der Südwestseite stufenlos; auf der Nordostseite kann jederzeit ein Rollstuhllift geholt oder installiert werden.
Auch das Basisgeschoss der Wohnungen ist stufenlos. In beiden Teilhäusern hat diese Ebene jeweils ein geräumiges Bad. Die Treppen zu den Obergeschossen können bei Bedarf mit einem Treppenlift versehen werden.
Die Idee, den Wohnungsbau auf das Dach des Supermarktes zu platzieren, ist das eigentliche Ökologieplus des Konzeptes. Es wird attraktiver Wohnraum geschaffen, ohne zusätzliche Flächen zu versiegeln und den Fußabdruck zu vergrößern.
Die Gebäudekonstruktion versucht, bei vertretbaren Kosten einen möglichst guten energetischen Standard zu erzielen (günstige KfW-Kredite beim energiesparenden Bauen). Der „Low-Tech-Ansatz“, d.h. mit wenigen technischen Mitteln viel Effizienz zu erreichen, und der KfW 55 Standard werden als Prämisse verfolgt. Gleichzeitig steht die Langlebigkeit im Vordergrund, denn eine solide Bausubstanz mit langer Lebensdauer ist die beste Investition für den Planeten.
Der Neubau soll es ermöglichen, durch gute Dämmwerte und eine ökologische Wärmeerzeugung wenig Energie zu verbrauchen und gleichzeitig möglichst viel einzufangen. Die Außenmauern aus Poroton sorgen für gute Wärmedämmung und modernen Schallschutz. Dank der Dachüberstände über den großen Südfensterstrahlt die Sonne im Winter tief in die Häuser, im Sommer bleiben die Räume verschattet.
Die Dachflächen werden komplett als Photovoltaik-Flächen (möglichst „inDach“) ausgelegt. So kann Eigenstrom direkt genutzt werden Im Untergeschoß wird ein Raum auch für die Speicherung vorbereitet.
Energie liefert eine zentrale Sole/Wasser-Wärmepumpe, dem Boden unter dem Parkplatz entnommen. Die Warmwasseraufbereitung erfolgt in den Wohnungen. Im Sommer kann dasselbe System die Räume kühlen. Unterstützt wird die Wärmegewinnung durch die Versickerung des Regenwassers („Schwammstadt“) unter der durchlässigen Platzfläche.
Gute Dämmwerte bei vernünftigen Kosten sind das Ziel auch bei den Fenstern. Die größeren Flächen bleiben festverglast. Dänische „Topvendevinduer“durch Vakuumscheiben und schmale Profile zugleich praktische und elegant, können zum Lüften und Putzen geöffnet werden. Zum Hof können breitere Glaselemente großzügig geöffnet werden.
Um für ausreichenden Luftwechsel zu sorgen, ist eine unauffällige Zentrallüftung mit Wärmetauscher in jeder Wohnung vorgesehen. Feuchträume wie Bäder und auch Küchen werden so entfeuchtet und gut belüftet.
Neubauten der letzten Jahrzehnte waren in der Formensprache oft reduziert auf Kuben mit bodentiefen Fensterschlitzen, die in den Fassaden verspringen. Diese formelle Stilepisode geht jetzt zu Ende. Es darf wieder nach der Funktion gefragt werden – welches Licht an welcher Stelle des Raumes dahinter eigentlich gebraucht wird.
Vorbild für den Entwurf der Projektinitiatoren waren gute Wohngebäude der Nachkriegsmoderne, die sich die Freiheit genommen hatten, Fensterformen und -größen je nach der Raumfunktion zu variieren. Zwanghafte Formalität ist nicht nach unserem Geschmack.
Damit kann auch der Bedarf an Kunstlicht reduziert werden. So erhalten die Küchen breite Fenster über der Arbeitsfläche, um die Ecke auch zum Eingang gewandt. Ins Schlafzimmer fällt Licht aus schmaleren, bodentiefen Glasflächen, daneben ein Öffnungsflügel. Das Wohnzimmer ist in ganzer Breite und Höhe zum Innenhof verglast – eine Galerie des Obergeschosses schwingt in diesen hohen, hellen Raum hinein. Vor den Kinderzimmern liegt ein Spielflur mit verglastem Erker; aus ihren Schlafzimmern geht der Blick durch eine Firstverglasung in den Himmel.
Die Innenräume sind jeweils in der Raumproportion nach der Funktion abgestimmt – von der großzügigen, hohen Wohnhalle mit offener, flacherer Küchenzone über „normale“ Schlafzimmer und Bäder bis zu Kinderzimmern unter den Dachschrägen mit großen Spielflächen.
Die Wohnungstechnik steckt in einem Raum unter der Treppe, mit Platz u. a. für die Waschmaschine. Vor dem Bad besitzen die großen Häuser ein Schrankzimmer. Weitere Abstellräume sind im Erd- bzw. Untergeschoss vorgesehen.
Die Entscheidung gegen Flachdächer wurde bewusst getroffen. Zum einen aufgrund von Zweifeln an deren Dauerhaftigkeit, zum anderen, weil die Gemütlichkeit eines Wohnens unter einer Dachschräge geschätzt wird. Voll ausgenutzte Dachgeschosse sind effizient, ökologisch und kostensparend. Und nicht zuletzt fügt sich die Photovoltaik in eine Dachlandschaft besser ein.
Die Erschließung in den Wohnungen ist offen und flexibel. Reine Verkehrsflächen gibt es kaum – jede Galerie, jeder Vorflur ist so geräumig bemessen, dass dort auch gearbeitet oder gespielt werden kann. Neben der Treppe im Wohnraum läuft noch eine Galerie – für Bücher- und sonstige Regale, für Kunst oder zum Musizieren.
Die dargestellten Grundrisse sind als eine von diversen Varianten zu verstehen. Zusammen mit dem Architekturbüro kann jede Baupartei den eigenen Wunschgrundriss planen und realisieren.
In den Innenräumen sieht die Standardlösung Wände mit weißem Putz sowie weiße Türen und Fußleisten vor. Treppen und Decken sind derzeit in hellem Holz gedacht. Als Böden kommen auf der Basisebene Steinfliesen oder Parkett, in den oberen Geschossen Holz- oder Teppichböden in Frage. Die Ausstattung kann jedoch individuell variieren, Sonderwünsche werden ggfs. über Mehrkosten abgegolten.
Gleiches gilt auch für die Elektro- und Badausstattung, für die in der Standardversion schlichte, helle, elegante und werthaltige Materialien gewählt werden. Küchen und weitere Einbaumöbel (Duschwände, Einbauschränke etc.) sind in der Standardausstattung nicht vorgesehen, diese werden individuell geplant und nach Übergabe der Wohnung installiert.
Im Äußeren prägen die schlanken weißen Fensterprofile, schlichte zinkgraue Dachkanten und die Materialien von Dach und Wand das Bild. Wir bemühen uns um eine nicht spiegelnde, graue Ausführung der Photovoltaik.
Mauern aus Poroton brauchen einen Wetterschutz. Das kann Putz sein – doch muss der immer wieder gestrichen werden, nicht zuletzt wegen der Graffiti, die auch in Schmalenbeck leider nicht unbekannt sind. Ein Klinkerbehang würde Platz rauben und wäre gegen Graffiti sehr empfindlich. Für besser halten wir eine glasierte, abwaschbare Fliesung – wie sie in Italien oder Portugal häufig, aber auch an Hamburger Häusern schon seit über 100 Jahren schadensfrei erhalten ist. Unser Vorschlag ist eine schmale, grün-grau melierte Fliese von Marazzi.
Das Projekt liegt mitten im Ortszentrum, direkt am U-Bahnhof und doch mit viel Grün drum herum. Nach Südwesten blickt man auf den Böschungswald der tief eingesenkten Hochbahntrasse, nach Nordwesten folgen ruhige, eingewachsene Gärten der Nachbarn. Zu diesen Seiten wird das umzäunte Grundstück als gemeinschaftliche grüne Ruhezone mit Grasflächen und Buschwerk gestaltet – darin nach Wunsch verstreut Kletterbäume u. ä. für Kinder, Bänke und viele runde Hochbeete, für die jede/r Bewohner die Patenschaft übernehmen kann.
Es werden Möglichkeiten geprüft, am Gebäude Staren, Meisen, Rotschwänzen und Fledermäusen Nistmöglichkeiten anzubieten.
Nach Nord- und Südosten grenzen die beiden öffentlichen Plätze an. Dort wird mit der Gemeinde und den Planern des Nachbargrundstücks eine angemessene Grünkulisse erarbeitet.
Die beiden Laubengänge sollen durch Bügel überspannt werden, an denen Kletterpflanzen wie Blauregen bis zur Traufe klimmen können. Solch ein Grünschleier verschafft den Gemeinschaftsflächen vor den Wohnungen einen intimeren Charakter und spendet im Sommer zusätzlichen Schatten.
Jeder/m Bewohner selbst überlassen ist die Grüngestaltung der Innenhöfe, oder die Bereicherung der Laubengänge und Balkone durch Kübelpflanzen.